Psychotherapie
Schwarze & Weindorf
Die Wirkung der ersten Dosis Ritalin als Prädiktor für den medikamentösen Behandlungserfolg bei ADHS
In einer Studie von Valeria Parlatini, Joaquim Radua, Hanna Thomas, et al. wurde untersucht, ob die Reaktion auf eine einzelne Dosis Methylphenidat (MPH) bereits Hinweise darauf geben kann, wie gut jemand langfristig auf das Medikament anspricht. Methylphenidat ist der am häufigsten verschriebene Wirkstoff bei Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), wirkt aber nicht bei allen Betroffenen gleich gut. Oft wird die richtige Medikation und Dosierung durch ein längeres „Ausprobieren“ gefunden, was Zeit und Belastung für die Patientinnen und Patienten bedeutet. Ziel der Untersuchung war daher herauszufinden, ob sich eine frühe Wirkung nach nur einer einmaligen Dosis bereits als Vorhersage für den längerfristigen Behandlungserfolg eignet – und zwar mit einfachen, in der Praxis üblichen Tests.
An der Studie nahmen 60 erwachsene Männer mit ADHS teil, die zuvor meist keine Medikamente eingenommen hatten. Jeder erhielt an zwei Testtagen einmal ein Placebo und einmal 20 mg Methylphenidat (z.B. Ritalin, Concerta). Anschließend starteten alle eine zweimonatige Behandlung mit einem retardierten MPH-Präparat (Concerta XL), das nach Bedarf auf bis zu 54 mg täglich gesteigert wurde. Zu drei Zeitpunkten – unter Placebo, unter der Einzeldosis MPH und nach zwei Monaten Behandlung – wurden dieselben klinischen und neuropsychologischen Messungen durchgeführt: Zum einen der Barkley Adult ADHD Rating Scale (BAARS-IV), ein Fragebogen zur Selbsteinschätzung der ADHS-Symptome, und zum anderen der Qb-Test, ein computergestützter Aufmerksamkeitstest, der zusätzlich über Infrarotkameras die körperliche Aktivität (Unruhe) misst.
Die Forscherinnen und Forscher verglichen, ob sich Verbesserungen nach der Einzeldosis MPH mit den Verbesserungen nach zwei Monaten Behandlung deckten. Tatsächlich zeigte sich ein klarer Zusammenhang: Wer bereits nach der einmaligen MPH-Einnahme Verbesserungen in Impulsivität oder Hyperaktivität zeigte – sowohl in der Selbsteinschätzung als auch im Qb-Test – profitierte auch nach zwei Monaten deutlich stärker von der Behandlung. Die Stärke dieser Zusammenhänge war groß und in einigen Fällen sehr ausgeprägt (Korrelationswerte bis r = 0,69). Kein klarer Zusammenhang zeigte sich hingegen bei den Aufmerksamkeitswerten in der Selbsteinschätzung (BAARS-Inattention) und bei der Qb-Aktivität. Das bedeutet, dass nicht alle Symptome gleich stark auf eine Einzeldosis ansprechen und dass insbesondere die messbare Reaktion auf Impulsivität und Hyperaktivität am aussagekräftigsten war.
Darüber hinaus zeigte sich, dass auch andere persönliche Faktoren die Behandlungsergebnisse beeinflussen können. So schnitten Personen mit höherem Intelligenzquotienten (IQ) im Durchschnitt besser ab. Außerdem spielten Alter, Ausgangsschwere der Symptome und die erreichte MPH-Dosis eine Rolle. Besonders aussagekräftig waren die Ergebnisse, wenn man die akute Reaktion auf MPH mit diesen Basisdaten kombinierte – also nicht nur auf eine einzelne Messung, sondern auf ein Gesamtbild achtete. Dabei zeigten die objektiven Qb-Testdaten meist deutlichere und empfindlichere Veränderungen als die Selbsteinschätzungen, was darauf hinweist, dass Betroffene ihre kurzfristige Verbesserung nicht immer bewusst wahrnehmen, obwohl sie messbar vorhanden ist.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein kurzer, ärztlich überwachter Test mit einer einmaligen Dosis Methylphenidat wertvolle Informationen liefern kann, ob sich eine längere Behandlung lohnen wird. Besonders dann, wenn sich im Qb-Test oder in den klinischen Ratings bereits nach einer Dosis deutliche Verbesserungen zeigen, ist die Wahrscheinlichkeit für eine gute längerfristige Wirkung hoch. Fehlt eine kurzfristige Reaktion, bedeutet das jedoch nicht automatisch, dass die Behandlung langfristig unwirksam sein wird – manche Effekte, vor allem bei Unaufmerksamkeit, entwickeln sich erst im Verlauf der regelmäßigen Einnahme.
Die Studie hat ihre Grenzen: Sie wurde nur mit Männern ohne aktuelle Begleiterkrankungen durchgeführt, die Teilnehmerzahl war relativ klein, und die Ergebnisse müssen in größeren, vielfältigeren Gruppen bestätigt werden. Dennoch liefert sie einen wichtigen Hinweis darauf, dass sich mit einfachen klinischen Mitteln – einem kurzen Medikamententest und standardisierten Verhaltensmessungen – möglicherweise schon früh vorhersagen lässt, wer besonders gut auf eine ADHS-Medikation anspricht. Das könnte in Zukunft helfen, Behandlungen schneller, gezielter und individueller zu gestalten.
Parlatini, V., Radua, J., Thomas, H. et al. Clinical response to a single-dose methylphenidate challenge is indicative of treatment response at two months in adults with ADHD. Transl Psychiatry 15, 368 (2025)